Mit ihrem Literaturblog „Buzzaldrins Bücher“ hat sich Mara Giese in den letzten vier Jahren eine grosse Leserschaft erschrieben. Im Interview spricht sie über ihr Engagement für das Bloggen und darüber, wie für sie eine gute Zusammenarbeit zwischen Verlagen und Buchbloggern aussieht.
Wer sich mit Literaturblogs beschäftig, stösst über kurz oder lang auf deinen Namen. Wie bist du zum Bloggen gekommen?
Die Entscheidung, ein Blog zu führen, ist vor vier Jahren ganz spontan und ohne grosses Überlegen gefallen. Davor war ich in der Büchereule, einem Online-Forum zum Thema Literatur, unterwegs, aber mit Blogs habe ich mich nicht auseinander gesetzt. Ich kannte auch keine deutschsprachigen Literaturblogs, nur ein paar englischsprachige. Dass mein Blog jemals so gross werden würde, hätte ich mir damals nie gedacht. Ich war zu Beginn weder auf Facebook, noch auf Twitter, um mich zu vernetzen und in den ersten drei Monaten hatte ich dann auch insgesamt nur 23 Besucher.
Offenbar hat dich das nicht zum Aufgeben gezwungen. Hat es dich denn etwas frustriert?
Mich hat eher frustriert, dass zu Beginn kein Austausch auf der Plattform stattfand, denn deshalb habe ich sie eigentlich ins Leben gerufen. Ich wollte über die Bücher schreiben, die mich beschäftigen und wissen, wie es anderen Lesern ergangen ist. Mit der Zeit ist das dann besser geworden und inzwischen gibt es glücklicherweise auch immer wieder viele Reaktionen. Nicht alle im Blog selber, sondern viele auch über die Sozialen Netzwerke.
„Ich bemühe mich schon darum, am Ball zu bleiben und die Leser nicht zu enttäuschen.“
Inzwischen sind ja deine Zahlen auch etwas besser geworden. Aber dafür tust du auch einiges. Du schreibst ja teilweise mehrere Empfehlungen pro Woche, bist in den Sozialen Netzwerken sehr aktiv und hast da auch einen fast schon professionellen Auftritt.
Momentan habe ich zwischen 15 000 und 20 000 Besucher im Monat. Es gab Zeiten, da sind bis zu drei Beiträge pro Woche erschienen. Derzeit sind es etwas weniger, aber ich will auch jetzt pro Woche mindestens einen Beitrag veröffentlichen. Allerdings habe ich vor einem Monat einen neuen Job angefangen und komme deshalb weniger zum Lesen, als früher. Da muss man gelegentlich in die Trickkiste greifen. Als der neue Knausgard erschienen ist, wollte ich unbedingt etwas darüber schreiben, weil er einer meiner Lieblingsautoren ist. Ich wusste aber, dass ich so bald nicht zum Lesen seines neuen Romans kommen würde. Da habe ich dann halt über häufige Fragen zum Autor geschrieben. Ich bemühe mich schon darum, am Ball zu bleiben und die Leser nicht zu enttäuschen.
Gelegentlich erfährt man beim Lesen deiner Texte auch sehr Persönliches über dich. Vor deinem Umzug nach Hamburg hast du zum Beispiel darüber geschrieben, dass die Zeit, bevor du diese Stelle in Hamburg gefunden hast, nicht sehr einfach für dich war. Das ist sehr mutig, denn es macht dich auch angreifbar und ist für jeden einsehbar. Wo setzt du da Grenzen?
Ich schätze, dass ich ungefähr 30 Prozent davon, wie ich lebe, im Blog und in den sozialen Netzwerken offen lege. Den Rest erfährt man erst, wenn man mich persönlich kennen lernt. Den erwähnten Beitrag habe ich geschrieben, weil ich weiss, dass es sehr vielen Leuten nach dem Studium ähnlich geht, wie es mir ergangen ist: dass sie den Einstieg in die Verlagsbrache suchen und gelegentlich beinahe daran verzweifeln, weil die Konkurrenz unglaublich gross ist und weil es Zeit braucht und man Durchhaltewillen benötigt dafür. Ich dachte, wenn ich schreibe, wie es mir ergangen ist, kann das für jemanden, der sich selbst gerade in so einer Situation befindet, unterstützend sein.
Wenn der erste Blick morgens auf den Nachttisch fällt, dann kann man doch nur glücklich in den Tag starten. ❤️ pic.twitter.com/sIU69CnjUg
— Mara Giese (@buzzaldrinsblog) October 26, 2015
Du bist studierte Literaturwissenschaftlerin. Deine Texte sind aber in einer sehr einfachen, unaufgeregten Sprache verfasst. Hast du dich von Anfang an gegen einen gewissen Rezensions-Dünkel in deinem Blog entschieden oder hat sich mit der Zeit herausgestellt, dass das so am besten funktioniert?
Ich verstehe meine eigenen Blogbeiträge nicht unbedingt als Kritik oder als Rezensionen. Das heisst nicht, dass man in Blogs keine Rezensionen veröffentlichen soll, aber ich schreibe zu einem anderen Zweck. Was ich möchte, ist, meine Begeisterung für das Lesen teilen und Leute dazu bringen, sich für Bücher zu interessieren und selber zu lesen. Ich will Bücher empfehlen, nicht sie bewerten. Literatur bedeutet mir wahnsinnig viel. Ich besitze elf Billy-Regale mit Romanen. Diese befinden sich an meinem Wohnsitz in Göttingen, ich selber bin seit einem Monat aus beruflichen Gründen in Hamburg. Meine Bücher nicht um mich haben zu können, fällt mir sehr schwer, ich vermisse sie richtig. Es ist dieses Gefühl, das mich mit Büchern verbindet, das ich in meinen Beiträgen vermitteln will.
Du machst bei vielen grossen Blogger-Aktionen mit. Aktuell bist du eine von sieben Buchpreisbloggern, die sich seit Bekanntgabe der Longlist intensiv mit den Nominierten des Deutschen Buchpreises befassen. Dadurch, dass ihr euch auf euren Blogs und in den sozialen Netzwerken so intensiv mit dem Thema befasst, verhelft ihr dem Preis online zu großer Aufmerksamkeit. Bekommt ihr dafür eine Gegenleistung?
Wir bekommen für alle sieben Blogger die Titel der Longlist und eine Einladung zum Empfang. An der Verleihung selber dürfen wir leider nicht teilnehmen.
„Blogger sollten sich ihre Freiheit erhalten, genauso wie ihre Unabhängigkeit.“
Das ist etwas knauserig.
Das finde ich auch. Trotzdem mache ich gerne mit, denn für mich handelt es sich dabei um ein Herzensprojekt. Ich habe die Aktion vor drei Jahren initiiert und ins Leben gerufen, weil ich der Meinung war, dass man online etwas für den deutschen Buchpreis machen muss. Und wie gesagt, mir geht es beim Bloggen in erster Linie darum, mit anderen Menschen meine Begeisterung für Bücher zu teilen. Ich träume zwar davon, irgendwann vom Bloggen leben zu können, aber so leicht lässt sich das leider nicht umsetzen und darum hat das Monetäre auch keine ausschliessliche Priorität für mich. Aber es stimmt: wir werden immer wieder für unser Engagement kritisiert, weil man uns vorwirft, dass wir uns ohne Entgelt vor einen PR-Karren spannen lassen.
Wie siehst du selber das?
Ich kann diese Kritik schon verstehen. Das Problem in der Buchbranche ist, dass so viele Leute nebenbei unentgeltlich etwas für die Branche tun, dass das zur Normalität geworden ist. Trotzdem würde ich mir gerade für die Literaturblogger etwas mehr Selbstbewusstsein und Professionalität wünschen. Ich besuche regelmässig Blog-Seminare oder Workshops. Dort sehe ich dann, dass Blogger aus anderen Sparten, zum Beispiel aus dem Food- oder Do it Yourself-Bereich ein ganz anderes Auftreten haben und teilweise richtig spannende Kooperationen machen können.
„Ich finde, dass viele Verlage bereits sehr gut mit den Buchbloggern zusammenarbeiten.“
Und wie sieht eine gelungene Kooperation aus deiner Sicht aus?
Eine gelungene Kooperation, ist für mich eine Kooperation, in der ich ein Produkt vorstellen oder bewerben kann, das mir am Herzen liegt – im Idealfall gibt es dafür dann natürlich eine angemessene Gegenleistung. Eine tolle Anfrage, die ich zuletzt hatte, kam vom Verlag „eber & bach“, der „Die Zeit“- Bibliothek der verschwundenen Bücher herausbringt. Das ist ein tolles Anliegen, das mir ebenfalls sehr am Herzen liegt, da mache ich dannn auch gerne mit. Darüberhinaus besteht eine gute Kooperation für mich auch immer aus einer vernünftigen Anfrage, auf unverlangt eingsendete Bücher reagiere ich deshalb auch immer leicht allergisch.
Deine Freude über Gratisbücher scheint sich in Grenzen zu halten…..
Ich spreche da nur für mich, aber ich freue mich tatsächlich nicht darüber, wenn man mir unaufgefordert Bücher schickt mit der Bitte, diese innerhalb einer gewissen Frist auf dem Blog zu besprechen. So etwas ignoriere ich dann auch. Ich bin jemand, der seinen eigenen Weg gehen will, ich möchte nicht, dass man mir sagt, was ich lesen soll. Den Verlagen ist oft nicht bewusst, dass es sehr zeitaufwändig ist, ein Buch zu lesen und anschließend darüber zu schreiben. Allerdings will ich nicht alle in einen Topf schmeißen. Es gibt auch Verlage, die sich inzwischen intensiv um ihre Blogger kümmern, ihnen zuhören und sich auch für deren Anliegen interessieren.
Generell besteht in der Branche ein wachsendes Interesse an Buch- und Literatur-Bloggern. Was wünscht du dir, in welche Richtung diese Zusammenarbeit gehen soll?
Ich finde – wie bereits erwähnt – dass viele Verlage bereits sehr gut mit den Buchbloggern zusammenarbeiten, auch wenn es hier und da noch Verbesserungsbedarf gibt. Für mein Empfinden sollte die Zusammenarbeit zwischen Bloggern und Verlagen aber nicht über die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren hinausgehen. Blogger sollten sich ihre Freiheit erhalten, genauso wie ihre Unabhängigkeit.
Mara Giese
Die studierte Literaturwissenschaftlerin Mara Giese ist Literaturbloggerin aus Leidenschaft. Mit ihrem Blog „Buzzaldrins Bücher“ erreicht sie monatlich bis zu 20 000 Menschen, die ihren Buch- und Leseempfehlungen folgen und sich zum Teil mit ihr darüber austauschen. Darüber hinaus engagiert sich Mara Giese in diversen Blogger-Aktionen wie zum Beispiel den Blogger-Paten für den Preis der Leipziger Buchmesse oder den Buchpreis Bloggern. Mit der Begründung, dass sie ihre gute Vernetzung nutzt, „um Blogger sichtbar zu machen“, war Mara Giese für den diesjährigen Virenschleuderpreis nominiert. Mara Giese arbeitet in Hamburg beim frisch gegründeten eBook-Verlag edel & electric und ist da für das Marketing zuständig.
Der Beitrag „Ich wünsche mir für die Literaturblogger mehr Selbstbewusstsein“ erschien zuerst auf www.adibumag.ch.