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„Das geltende Recht ist oft nicht mit einer digitalen Gesellschaft kompatibel.“

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Durch seine Spezialisierung auf das Recht im digitalen Raum befasst sich der Zürcher Anwalt Martin Steiger tagtäglich mit den Verfehlungen, die im Internet begangen werden. Warum sich diese gar nicht vermeiden lassen und wo dennoch Vorsicht geboten ist, sagt er im Interview.

 

Verlage, Autoren und Blogger nutzen Soziale Netzwerke, um mehr Reichweite im Internet zu erlangen. Welches sind die rechtlichen Stolpersteine, auf die man dabei achten sollte?

 

Am meisten Probleme gibt es im Bereich der Bildrechte. Beiträge in den Sozialen Netzwerken oder auf Blogs erzielen mit Bildern eine bessere Wirkung, deshalb sucht man sich rasch irgend ein passendes Bild im Netz. Dieses ist aber häufig urheberrechtlich geschützt, auch wenn beispielsweise ein Copyright-Hinweis fehlt. Wer solche Bilder unautorisiert verwendet, kann kostenpflichtig abgemahnt werden. Als Faustregel sollte man deshalb davon ausgehen, dass Bilder und andere Werke im Internet urheberrechtlich geschützt sind.

 

„Es ist wichtig, dass Betreiber von Websites und Blogs in der Schweiz auch das europäische Recht kennen.“
 

Wie sieht es mit dem Zitieren aus Texten aus?

 

Zitieren und verlinken dürfen Sie grundsätzlich immer. Solange ein Zitat korrekt wiedergegeben wird und die Quellenangaben stimmen, machen Sie in der Regel in nichts falsch. Ganze Seiten aus einem Buch abschreiben sollten Sie allerdings nicht, denn das würde den Zitatzweck sprengen. In Deutschland ist es auch schon vorgekommen, dass ein Verlag seinen Autor abgemahnt hat, weil dieser eine zu lange Textpassage aus dem eigenen Buch online gestellt hat. Aber solche extremen Fälle sind natürlich die Ausnahme.

 

Wird denn oft abgemahnt?

 

In der Schweiz kommt es vergleichsweise selten zu Abmahnungen. In Deutschland ist man wesentlich abmahnfreudiger. Das liegt auch daran, dass man in der Schweiz mit einer Abmahnung meist nur einige hundert Franken einfordern kann und der Abmahner die Anwaltskosten selbst tragen muss. In Deutschland hingegen kann man häufig 1000 Euro und mehr einfordern, was einen wirtschaftlichen Anreiz ergibt.  Deshalb entsteht bisweilen der Eindruck, es gehe bei Abmahnungen nicht darum, gegen eine Rechtsverletzung vorzugehen und Schadenersatz zu erhalten, sondern darum, Geld damit zu verdienen.

 

Heisst das, dass wir in der Schweiz auf der sicheren Seite sind?

 

Nein. Entscheidend ist, wo eine Website abgerufen werden kann. Schweizer Verlage und Literaturblogger richten sich meist nicht ausschliesslich an ein rein schweizerisches Publikum, ihre Websites sind fast immer auch in anderen Ländern abrufbar. Es ist deshalb wichtig, dass Betreiber von Websites und Blogs in der Schweiz auch das europäische Recht, das häufig strenger ist als unseres, kennen.

 
„Der Widerspruch zwischen Recht und Realität wird immer grösser.“
 

Wenn mein Blog überall auf der Welt abrufbar ist, muss er also streng genommen an sämtliche Rechtsordnungen der Welt angepasst sein. Das kann man ja gar nicht umsetzen.

 

Die meisten Abmahnungen in der Deutschschweiz stammen aus Deutschland. Das übrigen Ausland spielt  in dem Bereich bislang nur eine geringe Rolle. Bei anderen Ländern gibt es aber andere rechtliche Risiken, über die man sich allenfalls Gedanken machen sollte. Wenn Sie zum Beispiel kritische Literatur über aus diktatorischen Staaten in Ihrem Blog besprechen, sollten Sie vielleicht nicht mehr in diese Länder reisen.

 

Das klingt, als würde man sich im Internet ständig auf sehr dünnem Eis bewegen.

 

Wer sich im Internet äussert, wird dadurch öffentlich wahrnehmbar. Äusserungen werden dauerhaft online dokumentiert. Dessen muss man sich bewusst sein. Wer den ganzen  Tag online ist, begeht vermutlich ständig kleinere Rechtsverletzungen, ohne es zu merken oder zu wollen. Das liegt nicht an den Nutzerinnen und Nutzern, sondern am geltenden Recht, das in vielen Teilen noch nicht mit einer digitalen Gesellschaft kompatibel ist. Das Urheberrecht stammt beispielsweise aus einer Zeit, in der nur sehr wenige Menschen oder Institutionen in der Lage waren, Werke zu vervielfältigen. Kopieren war aufwändig und nur mit teuren Einrichtungen und spezialisiertem Wissen möglich. Heute hingegen kann man digitale Inhalte problemlos kopieren und vervielfältigen. Kopieren ist Teil unseres Alltags geworden, das Internet ist eine eigentliche Kopiermaschine. Das Recht hinkt dieser Realität hinterher, so dass der Widerspruch zwischen Recht und Realität immer grösser wird.

 

„Persönlichkeitsverletzungen kommen online sehr häufig vor.“
 

Sie finden es nicht problematisch, dass man das Urheberrecht dauernd versehentlich verletzt und empfehlen, dass man sich dennoch in den Sozialen Netzwerken ausprobieren soll?

 

Ich rate davon ab, Urheberrechte absichtlich zu verletzen. Aber wenn das Recht seine Akzeptanz bewahren soll, müssen Anpassungen an die Realität im digitalen Raum erfolgen. Aus einer subjektiven Sicht ist es verständlich, dass man als Autor oder Fotograf für seine Arbeit honoriert und respektiert werden will. Rein wirtschaftlich gesehen sind aber – leider! – die wenigsten Bilder und Texte wertvoll. In vielen Bereichen ist ein derartiges Überangebot an Inhalten vorhanden, dass nur ein ganz kleiner Prozentsatz davon einen monetären Wert hat. Erfreulich ist, dass die meisten Schöpfer nicht zuerst an Geld und Urheberrecht denken, sondern das kreative Schaffen im Vordergrund steht.

 

 

Neben Fragen des Urheberrechts spielt auch der Schutz der Persönlichkeit eine grosse Rolle. Wie sieht es damit aus?

 

Im Bereich des Persönlichkeitsrechts kommt es nur selten zu Klagen. Rechtliche Schritte sind hier sehr aufwändig und können ohne weiteres Kosten von über 10’000 Franken verursachen.

 

Das heisst aber nicht, dass es nicht zu Verletzungen der Rechte kommt.

 

Nein, Persönlichkeitsverletzungen sind online sehr häufig, zum Beispiel in Bezug auf das Recht am eigenen Bild. Sobald eine Person auf einem Foto erkennbar ist, sollte muss man grundsätzlich deren Einverständnis einholen, wenn man das Bild veröffentlichen will.

 

Auch wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegt oder es sich um eine öffentliche Person handelt?

 

Das Recht am eigenen Bild existiert auch in der Öffentlichkeit, wenn auch mit Einschränkungen. Ein Bundesrat ist zum Beispiel eine sogenannte Person der Zeitgeschichte. Trotzdem dürfen Sie ihn nicht einfach so in Badehosen zeigen. Auch Personen der Zeitgeschichte haben ein Recht auf Privatsphäre. Für den öffentlichen Raum gilt das gleiche: es ist nicht immer leicht zu definieren, wo er anfängt und wo man mit seiner Kamera das Recht am eigenen Bild verletzt. Im Zweifelsfall sollte man deshalb grosse Zurückhaltung üben oder die fotografierten Personen um ihr Einverständnis bitten.

 

Wie ist es mit den Sozialen Netzwerken? Äussert man sich da öffentlich oder privat?

 

Sicherheitshalber sollten Sie davon ausgehen, dass Sie sich in Sozialen Netzwerken öffentlich äussern. Denken Sie deshalb jeweils nach, bevor Sie einen Post oder einen Tweet absetzen. Im Internet und in den Sozialen Netzwerken werden alle Äusserungen einheitlich sichtbar und erhalten dadurch ein stärkeres Gewicht als beispielsweise mündliche Äusserungen im kleinen Kreis. Teilweise werden den Nutzerinnen und Nutzern wirklich unsägliche Dinge an den Kopf geworfen oder es wird öffentlich gemobbt. Das darf man nicht unterschätzen. Man sollte deshalb online den Anstand wahren und einander beistehen – unabhängig von der Rechtslage. Und wer online beschimpft oder anderweitig in seinen Rechten verletzt wird, kann und soll sich zur Wehr setzen.

 

Martin Steiger

 

Der Zürcher Medienanwalt Martin Steiger hat sich auf das Recht im digitalen Raum spezialisiert. Auf seiner Website und auf Twitter äussert er sich regelmässig über aktuelle Urteile aus dem Themen Feld von IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht.

 

Bild: Daniela Grünenwald


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