Er scheint alles Andere als frei zu sein, der Protagonist aus Volker Hages „Die freie Liebe“. Anfang der 70er Jahre zieht Wolfgang aus Lübeck zum Studieren nach München. Im hohen Norden lässt er Freundin und Mutter zurück, zwei Frauen, die auf ihn und seine Lebenszeichen warten, die Eine fordernd und vorwurfsvoll, die Andere treu ergeben und geduldig.
Wolf hingegen hat anderes zu tun, als sich bei seinen Lübecker Frauen zu melden. Zu sehr verwirren ihn die Frauen aus München, allen voran seine Mitbewohnerin Lissa, die Verlobte von Andreas, dem zweiten Mitbewohner. Lissa und Wolf beginnen eine Affäre, welche von Andreas stumm geduldet wird. Glücklich macht ihn das Ganze selbstredend nicht. Und doch scheint der gehörnte Verlobte derjenige zu sein, der am wenigsten unter dieser Mènage à trois leidet.
Die Amour fou wird zur Zerreissprobe für drei Beteiligten. Ohne viel dazu beizutragen, lässt sich Wolf von seiner Lübecker Freundin verlassen, indem er sie bei ihrem Geburtstags-Überraschungsbesuch in München links liegen lässt. Ähnlich verfährt er mit seinem Studium. Nach einem Jahr nutzt er die Gelegenheit, als Assistent bei seinem erfolgreichen Vater mitzuarbeiten. Schliesslich trennt sich auch Lissa von ihm. Wie es mit ihr und Andreas weiter gegangen ist, wird Wolf vierzig Jahre später erfahren, als er in Berlin per Zufall den inzwischen preisgekrönten Regisseur Andreas Kern trifft.
Volker Hage hat ein trauriges und doch zauberhaftes Buch über Sehnsucht und Zerrissenheit geschrieben. Ohne rührig zu werden gelingt es ihm, die Stimmung wiederzugeben, welche die Liebe erzeugt, wenn sie vorgibt, dass alles möglich sei und doch nur ihre Spielchen treibt. Und obwohl Hage seine Protagonisten durchaus kritisch betrachtet und sie bisweilen in ihrem selbstmitleidigen Leiden alleine lässt, geht er niemals hart ins Gericht mit ihnen. Jeder von ihnen bekommt der Respekt des Autors und somit auch den des Lesers. Denn auch dann, wenn die Figuren in ihrem Leiden überborden und anderen noch viel schlimmeres zufügen, als sie selbst grade erleben – ein Bisschen Sehnsucht nach der freien Liebe weckt die Lektüre des Romans eben doch.
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